von anfang an

Dienstag, 1. September 2009

Im Zug nach Shush

Im Zug nach Shush hat jeder Waggon einen eigenen Schaffner - vielleicht sogar mehrere. Der Schaffner oder Ordner unseres Wagens schlief schon seit Beginn der Reise im Stockbett in unserem Abteil. Es ist aber keineswegs so, dass der Zug durchfahren wuerde, im Gegenteil stiegen haeufig Passagiere ein und aus. Dafuer war eine Art Admiral zustaendig, der mit ernstem Gesicht und einem grossen Block alle Fahrgaeste in jedem Abteil notierte. Die Unterschaffner der anderen Waggons sah ich meist im letzten Abteil hinter der Abteilscheibe schlafen. Die drei Angestellten im Speisewagen sassen miteinander an einem Tisch, manchmal schlief einer mit dem Kopf in der Armbeuge am Tisch. Das Kuechenpersonal sah ich mitunter in weissen Schuerzen durch die Gaenge gehen. Das Essen war gut und schnell fertig, Huehnerspiess mit Reis und Yoghurt.
Der Zugpolizist war ein hoeflicher junger Mann, der unter Entschuldigungen in unser Abteil trat, sich an der Tuer niederliess und gewissenhaft unsere Paesse durchsah. Bei Valentin fiel ihm eine Differenz zwischen Einreichdatum und Gueltigkeitszeitraum beim Visum auf, was eine laengere ernsthafte zweisprachige Unterhaltung mit sich brachte.
Bei der Einfahrt in einen Bahnhof liest man zuerst die Aufschriften der Toilette fuer Frauen und Maenner, dann vom Gebetsraum fuer Frauen und Maenner, und zuletzt, wenn man im mittleren Wagen oder weiter vorn sitzt, den Bahnhofsnamen. Diese Beobachtung kam mir spaeter beim Aussteigen zu Hilfe.
Die Strecke war im Wesentlichen eingleisig und verlief schnurgerade durch Wuesten und Savannen, manchmal zwischen Huegeln. Eine Bahnhofseinfahrt konnte man allein schon durch das Ueberfahren der Einfahrtsweichen erspueren. Hier begegneten zuweilen Gueterzuege aus Kesselwagen. Ansonsten bestand das sichtbare Ladegut hauptsaechlich aus Schienenschwellen und kurzen Gleisprofilen, aber ich sah auch Radsaetze und ganze Drehgestelle. (Die Bahn transportiert sich selbst)

Als Ankunftszeit war uns fuenf Uhr frueh angegeben worden - im Zug selber sagten die meisten, um drei Uhr. Unsere beiden Abteilkollegen fuhren bis Andimesk, der Station davor, und versuchten uns zu ueberreden, es ihnen gleich zu tun. Wir stellten den Wecker mit ihnen und warteten dann die richtige Station ab. Am salutierenden Bahnhofspolizisten vorbei trugen wir unsere Rucksaecke zum Empfangsgebaeude und suchten vergebens die Strasse dahinter, gelangten schliesslich durch den Schatten der gelben Bahnhofsbeleuchtung auf einen Feldweg und diesen entlang bald zur auch jetzt befahrenen Landstrasse. Ein paar Haeuser unter Laternen entpuppten sich, als wir dort waren, als Industriegebaeude, und wir steuerten die Stadt in der Gegenrichtung an. Uber eine Bruecke im Finstern schritten wir auf Shush zu, von dessen Namen allerdings nirgends etwas zu lesen war. Schliesslich erreichte uns einer der auf ihren Motorraedern umherstreifenden Jugendlichen, er bestaetigte unsere Gehrichtung und nahm Valentin mit, wenig spaeter kamen andere, und ich bekam einen Sitzplatz in der dritten Reihe, mit umgeschnalltem Rucksack. Nachdem sie zehnmal nachgefragt hatten, brachten sie uns zum anderen der beiden im Ort existierenden Hotels, einem in der Nacht huebschen Haeuschen am Fluss, und schliesslich doch zum von uns erwaehlten. Lange suchte ich das Tor, und dann fand ich einen schlafenden Mann davor. Er konnte uns aber nicht anders helfen, als dass wir eine Weile klopfen und trommeln mussten, denn auf die Glocke, obwohl von unten zu hoeren, reagierte niemald. Schliesslich erschien ein freundlicher junger Mann, von dem ich am naechsten Tag erfuhr, dass er ein technisches Fach studierte, sah, dass er Bertrand Russel las und hoerte, dass er Sartre mochte. Er fuehrte uns durch ein neues Haus ueber lange Fluren in ein backofenheisses langgestrecktes Zimmer, in dem vier grosse Betten standen. Die angeworfene Klimaanlage hatte die Kraft von Flugzeugmotoren, und ich tauschte mein Bett im Luftstrom mit einem Teppichplatz im Zimmerwinkel, wo ich ungestoert bis in den Nachmittag schlief/

Freitag, 28. August 2009

Isfahan: hermeneutische Theorie

Wenn wir Christen eine Buchreligion haben, und dies fuer Juden und Moslems in noch groesserem Masse zutrifft: Waere es dann nicht angezeigt, das Lesen als Form religioeser Existenz noch viel ernster zu nehmen?
Unseren muslimischen Geschwistern meinen wir, einer groesseren Freiheit bei der Textauslegung zusprechen zu muessen, und verstehen darunter hauptsaechlich, konkrete Handlungsanweisungen als zeitbezogen zu demaskieren und wegzufiltern; die feministische Bibelauslegung arbeitet etwa auf diese Weise (Vater/Mutter/Es im Himmel, geheiligt werde dein Name....).
Um hingegen die Anforderungen an eine existenzielle Hermeneutik zu skizzieren, soll zunaechst einmal vom geschriebenen Wort abgesehen werden. Wir unterscheiden, was jemand sagt, und was er meint. Wir messen der betreffenden Person grosse Bedeutung zu, und unsere Beziehung hilft uns das Gesagte und Gemeinte zu deuten. Aber es gibt auch Redestrategien, die durchschaut werden koennen, auch ohne die Person zu kennen.
Mit solchen oder anderen Vorueberlegungen soll jetzt der Iran lesbar werden/

Isfahan im Ramasan

Im Ramasan bekommt man tagsueber nichts zu essen - ausser in einigen Touristenrestaurants. Im armenischen Imbissgeschaeft traten sich deshalb 15 Personen im 2x3m grossen Raum gegenseitig auf die Fuesse, und alle assen ihre Sandwiches stehend, hinter Milchglasscheiben. Der iranische Textilhaendler Reza hat mich hingefuehrt, er erklaert, die Armenier haben zwar keinen Ramadan, aber sie essen in dieser Zeit nicht oeffentlich/

Wenn du durch einen dieser Paradiesgaerten gehst, verfolgen dich interessierte, neugierige Blicke, und wer sich traut, spricht dich an/

Als ich einmal etwas zoegerlich die Strasse querte, sprach mich eine Frau ernsthaft an, ob sie mir helfen koenne/

Ein paar Schritte neben meinem Hotel habe ich auch einen Sandwich-Imbiss entdeckt. Du erkennst ihn an den flatternden Decken vor der Auslage und der Glastuer, und am Geruch von heissem Fett/

Auf den verfliesten Wegen im Hasht Behesht Palast-Garten, neben plaetscherndem Wasserbecken und lachenden Kindern, deren Vaeter auf den eisernen Kindergeraeten schaukeln und turnen, knattert jede Minute ein Motorrad vorueber - gerade eines mit einer vierkoepfigen Familie/

Die Iraner sind so hoeflich, dass dich wildfremde Menschen mit Verbeugung gruessen und sich mit der Hand aufs Herz schlagen. Wenn du dich an der Theke anstellst und bis zur ersten Reihe vordringst, reicht stets jemand ueber deine Schulter hinweg seine Kassaquittung oder ruft seine Bestellung mit Donnerstimme aus der dritten Reihe/

Gestern Nachmittag passierte ich mit einem Erdbeershake in der Hand die Uferpromenade an der Allah Vedi Khan-Bruecke, wo heute ein grosses Transparent angebracht war, das Frauen an das Tragen von Kopftuechern erinnerte, waehrend ueber Lautsprecher gerade Fastenparolen proklamiert wurden. Als ich nach einiger Zeit von einem Burschen am Hemd gezupft wurde, der mich an den Ramadan erinnern wollte, ging ich ein paar Schritte weiter und schluerfte meinen Shake dort fertig/

Zum ersten Mal faellt mir heute ein Motorradfahrer mit Sturzhelm auf. Vor ihm und hinter ihm sitzen je ein kleiner Junge - ohne Helm/

Tobi hat sich eine Wasserpfeife gekauft, und ich habe vor dem Geschaeft gewartet. Er kam plaudernd mit dem Geschaeftsfuehrer heraus, der sich nach unserem Heimweg erkundigte. Er bot sich an, ein Taxi zu einem guenstigen Preis zu rufen, und trat an den Strassenrand. Er begann mit einem Streifenpolizisten ein Gespraech, und einige andere Passanten traten hinzu. Inzwischen passierten einige Taxis, und um die Busse zu benutzten, konnte uns niemand eine Kartenverkaufsstelle zeigen. Als ich mich umdrehte und heimging, war es niemandem aufgefallen/

Gerade an unserem ersten Tag in Isfahan fand ein Treffen der Couchsurfing-Mitglieder dieser Stadt statt. Wir gingen als auslaendische Mitglieder hin und trafen auf einen Schlag viele interessante junge Menschen. Neben mir sass ein sehr gepflegter, wohlsituierter Herr, der sich als Beamter der staatlichen Versicherungsgesellschaft vorstellte. Er erkundigte sich sehr interessiert nach meinem Beruf, fragte nach dem Religionsunterricht und nach meinen Erkenntnissen auf meiner Iranreise. Ich begann, von der Verwandschaft unserer beiden Religionen zu sprechen, aber auch von den Unterschieden in der Textauslegung, und fuegte noch einiges ueber das Entschluesseln der menschlichen Existenz hinzu und ueber die Auslegungsarten von Kinofilmen. Nachdem wir einige Male unterbrochen worden waren, mein Nachbar mich aber weiterhin aufmerksam ansah, wollte ich seine Meinung hoeren, worauf er entgegnete, er habe nichts verstanden/

Als wir Die Pol-e Khndju-Bruecke ueber den trockenen Fluss mit unseren geliehenen Fahrraedern ueberquert hatten und zwischen den Pfeilern hindurchschlenderten, sah ich im Schatten einen jungen Mann ernst auf eine Reihe sitzender Maedchen einsprechen. Ich wurde von einem Herrn angesprochen und stellte mich als Oesterreicher vor, als jedoch gleich darauf die schwatzende und kichernde Gruppe hinzutrat, bezeichnete ich Tobi sehr ernsthaft als Russen. Die staunende Frage nach unseren Fahrraedern beantwortete ich zustimmend, dass wir aus Russland mit dem Rad gekommen seien, und die Fragen nach den weiteren Zielen mit Shiraz und Hormos. Auf die Frage, was mir im Iran am besten gefalle, antwortete ich, die schwarzen Augen der Frauen, was bei den Damen grosses Entzuecken ausloeste und viele verschwoererische Blicke. Ich lobte den guten Unterricht des jungen Mannes, dessen Zuhoererinnen wohl seine Schwestern und Cousinen waren, und als ich den hinzugekommenen Valentin als Enkel von Putin vorstellte, bat die gutgelaunte Gesellschaft um ein gemeinsames Foto, wobei die attraktiven Damen sehr konzentriert waren/

100_3554


100_3555

Montag, 24. August 2009

Yazd

Man koennte meinen, diese Stadt waere um irgendetwas echter als die anderen. Die braunen Lehmhaeuser scheinen dem Wuestenland zuzugehoeren, die Boegen ueber den winzigen Gassen der Sonnenhitze. Fuer eine Kulisse kann man es nicht halten, wenn einfache Menschen darin wohnen und hoelzerne oder eiserne Tueren oeffnen.
Und die Freitagsmoschee am Abend: unermesslich in der farbigen Detaillierung, maechtig die Gewoelbe, aber nichts weniger als kollosal: staunen macht dich die Feinheit, und die Unaufgeregtheit des Zusammengehoerigen.

Einen Spiegel des "geordneten Universums goettlichen Ursprungs" nennt Jason Elliot die islamische Kunst, ausgezeichnet durch die "rigorose Ordnung", wie das Metrum in der Dichtung, die Tonart in der Musik, die Proportionen in der Kalligraphie und die Geometrie in der Architektur.

Sprich: Er ist Gott, ein Einziger,
Gott, der Undurchdringliche.
Er hat nicht gezeugt, und Er ist nicht gezeugt worden,
und niemand ist ihm ebenbuertig.

al-Ikhlas - Sure



basarlager


DSC03973


DSC03887


DSC03975


DSC03989


DSC04021


DSC04011


DSC04012

Shiraz

Um richtig verstanden zu werden: Bisher haben alle unsere Gespraechsparner auf die Mullahs gechimpft. Natuerlich haben wir nur selektiv Kontakte mit englischsprechenden, international Interessierten. Morteza meinte, die Regimetreuen weren einfach die Profiteure, denen Posten und Auftraege zugeschanzt wuerden. Dagegen erfuhren wir von der Verfolgung der Bahais, die bei Shiraz zu Hause waren. Wenn man kein Moslem ist, kann man Jahrzehnte in der Erdoelraffinerie arbeiten und bekommt gerade drei Monate lang Pension ausgezahlt. Verwandte werden inhaftiert und kommen in der Haft zu Tode. Morteza glaubt an kein Leben nach dem Tod, das Gerede vom Paradies haelt er fuer kindliche Vertroestung. Als vor einigen Wochen seine Mutter, nach langem Leiden infolge eines Schlaganfalls einseitig gelaehmt, gestorben war, haette sich der Geitliche bei der Bestattung in den Sarg gebeugt und die Tote unter Gebetsproklamationen an den Schultern geruettelt. Er hatte die Zeremonie abgebrochen.
Er und die meisten Gespraechspartner finden es eine Zumutung, jemandem die Religion vorzuschreiben. An der Autobusstation ein Gitter, das jeweils nur Maenner oder Frauen zu den Busaufstiegen lasst. Schoene Frauen lassen ihre Augen auch unterm Schleier hervorblitzen. Die Mullahs machen die Religion zu einer Verneinung von Lebenslust und Schoenheit, von freiem Geist und wacher Selbstaendigkeit. Roya Hakakian nennt ihre Flucht "Abschied vom Land des "Nein", der unablaessigen Verweigerung". Ich will auch meine Kirche nicht zu einem Ort des zoegerlichen Mittelmasses verkommen lassen. Uns Christen ist ein klarer, wacher Geist angemessen, mutige Auseinandersetzung mit den neuesten Fragen der Gesellschaft sollte selbstverstaendlich sein, mehr noch: selber die selbstgenuegsamen Zeitgenossen herausfordern, selber die Denkfaulen aufstacheln, und die Zoegerlichen, die sich an ihren Privilegien genuegen, vor uns hertreiben. Man komme mir nicht ahnungslos und hilflos, die wir Nutzniesser und Zuschauer am Elend der Welt sind.

Der Kellner dieses Restaurants unter schattigen Baeumen, in das ich mich jeden Abend fluechte, spricht kaum Englisch, der Fuenfzehnjaehrige im Flugzeug, der uns am Handy Bilder von einer Demonstration mit Toten zeigt, der Taxifahrer, der nach Finnland auswandern will: Sie alle sprechen ohne Scheu von der katastrophalen Mullahpolitik, es ist ein einziger Aufschrei, ein Hilferuf n das Ausland.

"Denk nach! Stell dir vor, jedes Buch sei ein Raetsel. Stell esauf den Kopf, stuelpe sein Inneres nach aussen. Sieh dir jedes kleinste Detail gang genau an und frage: Warum dies? Warum das? Nur dann wirst du etwas Neues entdecken." Diese Worte gibt der grosse Bruder Roya mit ins Leben, und sie wendet sie sogleich deutend auf seine Bilder an.
Und hab ich nicht unsrem iranischen Freund die Bilder de persischen Museums gedeutet, dass ihm Hoeren und Sehen aufging an den manirierten Portraits und Schlachtgemaelden? So ist mir Reisen: Ueber die Darstellung der Archaemenidenkoenige gruebeln, die europaeischen Vorstellungen von Persien ueberpruefen, dem ueberwallenden Leben von Shiraz am letzten Tag vor dem Beginn des Fastenmonats nachspueren, als wir uns in einem Ferienort an der Adria waehnten, und dann die ueberraschende Normalitaet des Fastens selbst, wo du tagsueber keinen Menschen essen oder trinken siehst - weil sie so wie ich hinter einem Vorhang Eis schleckten oder ihr Cola aus der Dose schluerften.

(Zur Strafe hab ich mich im Labyrinth des Basars verirrt und tappte stundenlang durch unbekannte Strassen: Shiraz ist gross....)


DSC03826


DSC03838

Samstag, 22. August 2009

Altertuemer

DSC03768


Nun, in Shiraz sind wir an der alten Seite angelangt. Die alten Kultstaetten von Persepolis und Pasergadeh, von Kyros, Darius und Xerxes. Inmitten von staubigen Berghaengen, in Taelern, die heute der universitaeren Vorzeige-Landwirtschaft dienen.
Dass es sich bei den kollosalen Monumenten von Persepolis um einen Tempel oder gar um eine dauerhafte Koenigsresidenz gehandelt habe, wird heute bezweifelt - keine Siedlungen dieser Zeit in der Naehe. Eher scheint die Anlage dem Kultzeremoniell gedient zu haben, bei dem jaehrlich zum Fruehlings-Neujahrsfest Gesandte der unterworfenen Voelker ihre Gaben darbrachten.

Die Gleichfoermigkeit der Darstellungen der Koenige irritiert, und nicht nur mich, auch die gelehrten europaeischen Reisenden der vergangenen Jahrhunderte (Jean Chardin, Lord Curzon, Byron, Ernst Herzfeld) sahen das und schlossen daraus auf eine stilistische Minderwertigkeit der archemenidischen Kunst, die lediglich Formen der Parther, Griechen, Aegypter und Aethiopier uebernimmt. Dabei ist doch gerade heute die Zitation ein besonderes Zeichen von Bildung und Ueberlegenheit, was besonders in den orientalischen Bestaenden der Museen von Berlin, Paris und London zu sehen ist. Jason Elliot empfielt, die Darstellung des Loewen, den einen Stier anfaellt, zu lesen als Kampf zwischen hoeheren und niederen Anteilen der menschlichen Seele. Der Mitraskult lege dies nahe, und ebenso manche sufistische Schulen.

Und ist es nicht dasselbe Motiv, derselbe Vorgang, wenn Mitras den Stier mit dem Dolch toetet, wie in ganz Europa auf den roemischen Mitraeen zu sehen ist? Oder wenn der heilige Georg mit der Lanze den Drachen erlegt? Ich lege jedenfalls ein Bild des mitaeischen Opfersteins bei, der im Klagenfurter Museum zu sehen ist. Der persische Mitraskult verbreitete sich genau zur selben Zeit wie das Christentum im Roemischen Reich.


Mitras1

Donnerstag, 20. August 2009

Naechtlicher Heimweg

Vielleicht war es etwas kuehler - aber bestimmt nicht weniger staubig, als ich gegen Mitternacht nachdenklich heimschlenderte, lange nicht so muede wie am ersten Tag nach der kurzen Reisenacht.
Die Strassenquerungen waren beinahe so harmlos wie beim naechtlichen Wiener Guertel ohne Ampel, der Ashalt dampfte. Bedaechtig wurden Container in den Muellwagen gekippt; wie die vielen Muellgruben am Gehsteigrand geleert wurden, hab ich nicht gesehen. Stattdessen fielen mir viele schwimmende Plastikflaschen in der Abflussrinne am Strassenrand auf, und einen Kanalraeumer in Gummistiefeln sah ich, der mit der Schaufel schwarzes Werg aus dem geoeffneten Kanaldeckel holte und an einer Stelle aufhaeufte.
Einen einzigen Rattenschwanz sah ich im fahlen gelblichen Licht unter eine Muelltonne huschen, bevor es fuer hundert Meter ganz finster wurde und Entgegenkommende nur mehr dunkle Schatten waren. Ein offensichtlich Betrunkener sass liegend auf einem Denkmalsockel, und manchmal streiften mich tiefhaengende Zweige der Ahornalleebaeume im Gesicht.
Auf der rechten Spur des riesigen Iman Khomeinisquare ist ein Auto mit blinkenden Lichtern abgestellt, und daneben, am halbmeterhohen Gehsteig, der quer ueber den Platz verlaeuft, macht sich eine fuenfkoepfige Familie mit halbwuechsigen Maedchen und Buben zu schaffen, und der Vater hat einen Gebetsteppich ausgerollt und beginnt mit den Verbaeugungen zur Strassenmitte hin.
Tobias, der am Abend mit der U-Bahn im vornehmen Norden der Stadt war, der von vielen Uniformierten belauert war, nannte, zurueckgekommen, unseren Stadtteil das Gangsterviertel. Aber ich ging an der britischen, tuerkischen und deutschen Botschaft vorbei und sah gaehnende Soldaten in finsteren Beobachtungshuetten.
Jetzt fielen mir die Wasserhaehne auf, die zwischen den Alleebaeumen angebracht waren, denn ein Wagen hielt in der ersten Spur, und der Fahrer wrang einen Fetzen unterm Wasserstrahl aus, um im gelblich fahlen Licht die Scheiben zu waschen.
Spaeter, als ich im Speiseraum unseres Hotels ueber meinen Buechern sasss, arbeitete sich ein Strassenreiniger durch die Strasse vor dem Fenster, und dem Geraeusch nach muss er badewannenweise Wasser ausgeschuettet haben ueber die schmale Gasse, auf der tagsueber duftende Gummireifen aufgestapelt sind.
Im Ganzen scheint die Stadt in einen benommenen Frieden zu versinken, der mit jenem meiner Wienerstadt irgendwie verwandt sein muss.

Eines

muss schon gesagt werden: Die Pachlevi-Dynastiewar ja nicht allzu volksnah, Prunk und Reichtum, mit denen sich der Schah von Persien im 20. Jahrhundert umgab, mochten dem Ansehen des Staates gedient und anderen Staatsoberhaeuptern imponiert haben, als z.B. Schah Reza ein einwoechiges Bankett gab fuer tausend auslaendische Politiker anlaesslich der Milleniumfeiern des Persischen Reiches, waehrend in unmittelbarer Nachbarschaft tausende Menschen verhungerten. Die Prunkraeume seines Palastes mit den Spiegelsaelen haben wir ja bereits besichtigt. Freilich scheint der rojalistische Repraesentationsbau bei den Mullahs nicht auf allzugrosse Liebe zu stossen, wie die Banken und Hochbauten rundum, und besonders die Fussballtore im kaiserlichen Garten zeigen.
Auch wenn viele Geschaeftsleute, und besonders die Gebildeten und Intellektuellen die Zeit des Schahs zurueckwuenschen, auch wenn Jacer und viele andere Aufgeklaerte oder fuer westliche Freiheit und technische Errungenschaften Schwaermende die Religion zu recht fuer politikunfaehig halten: Es ist doch ganz bestimmt dieser gegenwaertige Praesident den riesigen Scharen der einfachen Leute nahe, gerade in seinem Trotz gegen die Etablierten im eigenen Land und in der westlichen Welt. Nachdem in den Siebzigerjahren ein Auftrag an franzoesische Baufirmen zum U-Bahnbau jahrelang dahinduempelte, in den Neuzigerjahren gekuendigt und neu begonnen wurde, 2001 die ersten Stationen der ersten Linie eroeffnet wurden, wurden gerade unter seiner Regentschaft bereits fuenf Linien in Betrieb genommen, von denen nicht einmal unser allerneueste Reisefuehrer etwas weiss. Und ehrlicherweise ist doch nicht einzusehen, wieso selbst die Atomkraft, auch die militaerische, nur von bestimmten Grossmaechten genutzt werden darf, als besaessen diese moralische Vorteile.
Es hat in diesem Land die Bildung bestimmt einen viel groesseren Wert als zu Hause, und ich vermute eine hoehere Akademikerquote. In Restaurents und in der U-Bahn sind ausschliesslich alle Maenner so gepflegt, als waeren sie taeglich beim Friseur, mit ihren pechschwarzen oder graumelierten Frisuren, Krawatten und parfuemierten Anzuegen, und selbst Kistenstapler und Kiorkverkaeufer haben gepflegte Kleidung und ordentlichen Haarschnitt. Hier im Hotelrestaurant bin ich unter all den Vornehmen der einzig Verdaechtige mit meinem Leinenhemd und der Umhaengetasche, und ich wurde auch hinter eine Saeule gesetzt in Sichtweite des Kassiers.

Weniger die Religion erscheint mir zweifelhaft hier, als ein bestimmtenr Typ des Religioesen - wie jene misstrauischen Maenner im Internet-Cafe unter Koranspruechen an der Wand, die mir heute wortkarg einen Platz im Nebenraum zugewiesen haben und auf meinen freundlichen Abschiedsgruss saeuerlich laechelten. Am Restauranttisch gegenueber sass eine Runde ernster Maenner mit einem rundlichen Turbantraeger, die anstat zu lachen lieber still dem ueppigen Buffett zusprachen.

Und dies sage ich nun an meine Heimatadresse: Jenen aengstlich Religioesen, die kein deutliches scharfes Wort vertragen und stets auf der Seite des Altbewaehrten gehen wollen, die religioese Neuerungen misstrauisch und mit Zurueckhaltung betrachten und lieber die anderen ins Feuer der Innovation schicken, um ungeruehrt die Ergebnisse abzuwarten, ohne sich selbst auf irgendein Risiko einzulassen: euch versage ich den Alleinvertretungsanspruch. Ich will meine Religion nicht zu etwas Mittelmaessigem verkommen lassen, und Forschungsgeist und Willenskraft, Erneuerung und Themenfuehrerschaft nicht allein den Liberalen und Saekularen zugestehen. So will ich verstanden werden, und wenn dies zu sagen in diesem Lande besser gelingt und verstaendlicher wird: nun, dann sei es so.

Mittwoch, 19. August 2009

Wie steht es mit der Religion?

Darf man die Moscheen denn nicht besuchen?, fragten wir uns am Eingang der Masdjed-e Schahid Mottahari, der groessten und imposantesten der Stadt, welche von Nasir-ud-Din Schah im 19. Jahrhundert errichtet wurde. Denn am Eingang wachte ein muerrischer, gelangweilter junger Mann, keine 30, und wollte uns freundlich Gruessende keineswegs passieren lassen. Des Englischen nicht maechtig, war er in unserem Redeschwall im Nachteil, und unter Beteuerungen und Erklaerungen gelangten wir bereits im Hof an, als wie durch Himmelsfuegung aus einer Tuer eine Schar schwatzender junger Maenner mit ihrem Lehrer platzten, an die wir uns arglos fragend wandten, und einige erboten sich augenblicklich als unsere Fuehrer, sodass der Pfoertner das Nachsehen hatte und sich grimmig mit unseren Taschen zufrieden geben musste - fuer fuenf Minuten, wie ihm versichert wurde. Valentin und Tobias hatten vorsorglich ihre Fotoapparate an sich genommen, die sie auch ausgiebig nutzen durften.
Die Fuehrung durch den Koranlehrer und Universitaetsprofessor war das Beste, das uns passieren konnte. Der von vier Iwanen umgebene Hof war gesaumt von Doppelarkaden, in denen frueher Geschaefte untergebracht waren, im Sueden von einem offenen Gebetsraum, der im Sommer benuetzt wurde. Der noerdliche Iwan besass drei Tuerme, in denen uns der Fuehrer stolz die in England hergestellten Glocken zeigte. Wir sahen die Gebetshalle mit ihren 44 zwoelfeckigen Saeulen mit Stalagtit-Kapitellen, und wir bestaunten im ziegelgemauerten Rundumgang das kunstvolle siebenteilige Gewoelbe, das sich, ineinander verhakt, ohne Saeulen ueber den Gang spannte. In einem mit stilisierten labyrinthartigen Schriftzeichen aufgemalten Gebetstext wies unser Fuehrer auf die Anrufungen Gottes, des Propheten und Alis, welcher nur von den Schiiten verehrt wurde, wie sie im Iran die Mehrheit bilden.
Als wir aber auch noch die Galerie abschritten und von oben in den Hof und sein Wasserbecken sahen, verlor der Waechter seine Geduld und winkte uns herunter. In grosser Freundlichkeit verabschiedeten wir uns von unserem Fuehrer und seinem Kollegen und tauchten wieder in das laute, staubige Stadtleben.

So sind wir heute der Religion begegnet, gerade in der Moschee, in welcher auch der Praesident betet, und Misstrauen begegnete uns nicht von dieser, sondern eher von Beamtenseite, und es scheint mehr von der Unbildung als dem Glauben herzuruehren - die zweite Lehre.




DSC03709

DSC03670

DSC03674

DSC03680

DSC03681

Dienstag, 18. August 2009

Unterm Mond

Es war ein Sichelmond
scharf und spitz
auf der Seite liegend
mit einem hellen Stern darueber
unter dem wir herfuhren
in die Riesenstadt hinein/

Er hatte sicher seine Hand im Spiel
dass der Taxifahrer unser Hotel dann
doch noch fand, und sich ehrlich
freute mit uns
waehrend Nachtgestalten stumm winkten
am Pannenstreifen und an
Hausdurchfahrten, aus dem Schatten
die Ampeln zaehlten uns die
Sekunden herunter, bis sie freigeben wuerden,
aber wir hatten keine Zeit/


Wenige Stunden spaeter
taumelten wir bereits
durch das Stadtgewuehl
-wenn sich jemand rechtens
aengstigen will in diesem Land
dann bitte vor einer Strassenquerung!-
von der Sonnensenge
gerade noch verschont
von Geschaeftigen am Strassenrand
die Richtung gewiesen/

Der Gang der Stadt schien nicht
im mindesten bekuemmert um uns
wir kletterten zwischen abgestellten Motorraedern
aufgetuermten frischgemachten Stuehlen
und dem offenen Kanal am Strassenrand
unseres Weges, unter den Blicken der
Rohrmacher Tischler Handyverkaefer
und haben auch nicht jeden gefragt nach seiner
sinnvollen Beschaeftigung/

Der Golestan-Palast ist
ein Ort zum Leben
schattiger Garten (Garten!)
und 5 Museen...
hier trat uns Jazer entgegen:
unser Stadtfuehrer heute
Gasthaus Geldwechsel und
Internetcafe
und wer weiss was noch alles/

Jazer: von allen, die uns freundlich
ansprachen diesen ersten Tag
sprach er am besten Englisch
(Lehrer)
so behuetet sind wir
so beachtet, besonders
von den Frauen
(im Flugzeug hab ich ja gesehen
wie sie wirklich sind
bevor sie diese Kopftuecher
ueberziehen)/

So zieh ich meine erste
Lehre aus der Geschichte:
Wer Angst vor Fremden hat
hat sie zu Haus begruendeter
vor den eigenen Nachbarn

liebe Gruesse nach Hause
aus Teheran
es wurde Morgen, wurde Abend, 1.Tag!



pp-019


pp-022











pp-060





pp-065


pp-070
logo

ferner

Aktuelle Beiträge

RANA aus TABRIS, IRAN
The book “my bird” is about a woman who talks about...
weichensteller - 4. Sep, 23:43
Fariba Vafi: Kellervogel
Vielleicht der lang ersehnte Liebesroman, der nicht...
weichensteller - 2. Sep, 22:41
ساعتی با فرهنگ
Kulturstunde سارا سریع به سمت من اومد و گفت : راهنما...
Aminniak - 30. Aug, 01:26
Hallo Schlagloch!
Schön, dass du dich noch eingeklinkt hast! Dein Namenspatron...
weichensteller - 16. Aug, 08:32
Hallo Weichensteller!...
aber in der Pension verliert man teilweise das Zeitgefühl,...
SCHLAGLOCH - 14. Aug, 15:13

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Links

Suche

 

Status

Online seit 5371 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 4. Sep, 23:43

Credits

Knallgrau New Media Solutions - Web Agentur f�r neue Medien

powered by Antville powered by Helma


xml version of this page
xml version of this page (with comments)
xml version of this topic

twoday.net AGB

Free counter and web stats Free counter and web stats

neuer anfang
von anfang an
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren