Eines

muss schon gesagt werden: Die Pachlevi-Dynastiewar ja nicht allzu volksnah, Prunk und Reichtum, mit denen sich der Schah von Persien im 20. Jahrhundert umgab, mochten dem Ansehen des Staates gedient und anderen Staatsoberhaeuptern imponiert haben, als z.B. Schah Reza ein einwoechiges Bankett gab fuer tausend auslaendische Politiker anlaesslich der Milleniumfeiern des Persischen Reiches, waehrend in unmittelbarer Nachbarschaft tausende Menschen verhungerten. Die Prunkraeume seines Palastes mit den Spiegelsaelen haben wir ja bereits besichtigt. Freilich scheint der rojalistische Repraesentationsbau bei den Mullahs nicht auf allzugrosse Liebe zu stossen, wie die Banken und Hochbauten rundum, und besonders die Fussballtore im kaiserlichen Garten zeigen.
Auch wenn viele Geschaeftsleute, und besonders die Gebildeten und Intellektuellen die Zeit des Schahs zurueckwuenschen, auch wenn Jacer und viele andere Aufgeklaerte oder fuer westliche Freiheit und technische Errungenschaften Schwaermende die Religion zu recht fuer politikunfaehig halten: Es ist doch ganz bestimmt dieser gegenwaertige Praesident den riesigen Scharen der einfachen Leute nahe, gerade in seinem Trotz gegen die Etablierten im eigenen Land und in der westlichen Welt. Nachdem in den Siebzigerjahren ein Auftrag an franzoesische Baufirmen zum U-Bahnbau jahrelang dahinduempelte, in den Neuzigerjahren gekuendigt und neu begonnen wurde, 2001 die ersten Stationen der ersten Linie eroeffnet wurden, wurden gerade unter seiner Regentschaft bereits fuenf Linien in Betrieb genommen, von denen nicht einmal unser allerneueste Reisefuehrer etwas weiss. Und ehrlicherweise ist doch nicht einzusehen, wieso selbst die Atomkraft, auch die militaerische, nur von bestimmten Grossmaechten genutzt werden darf, als besaessen diese moralische Vorteile.
Es hat in diesem Land die Bildung bestimmt einen viel groesseren Wert als zu Hause, und ich vermute eine hoehere Akademikerquote. In Restaurents und in der U-Bahn sind ausschliesslich alle Maenner so gepflegt, als waeren sie taeglich beim Friseur, mit ihren pechschwarzen oder graumelierten Frisuren, Krawatten und parfuemierten Anzuegen, und selbst Kistenstapler und Kiorkverkaeufer haben gepflegte Kleidung und ordentlichen Haarschnitt. Hier im Hotelrestaurant bin ich unter all den Vornehmen der einzig Verdaechtige mit meinem Leinenhemd und der Umhaengetasche, und ich wurde auch hinter eine Saeule gesetzt in Sichtweite des Kassiers.

Weniger die Religion erscheint mir zweifelhaft hier, als ein bestimmtenr Typ des Religioesen - wie jene misstrauischen Maenner im Internet-Cafe unter Koranspruechen an der Wand, die mir heute wortkarg einen Platz im Nebenraum zugewiesen haben und auf meinen freundlichen Abschiedsgruss saeuerlich laechelten. Am Restauranttisch gegenueber sass eine Runde ernster Maenner mit einem rundlichen Turbantraeger, die anstat zu lachen lieber still dem ueppigen Buffett zusprachen.

Und dies sage ich nun an meine Heimatadresse: Jenen aengstlich Religioesen, die kein deutliches scharfes Wort vertragen und stets auf der Seite des Altbewaehrten gehen wollen, die religioese Neuerungen misstrauisch und mit Zurueckhaltung betrachten und lieber die anderen ins Feuer der Innovation schicken, um ungeruehrt die Ergebnisse abzuwarten, ohne sich selbst auf irgendein Risiko einzulassen: euch versage ich den Alleinvertretungsanspruch. Ich will meine Religion nicht zu etwas Mittelmaessigem verkommen lassen, und Forschungsgeist und Willenskraft, Erneuerung und Themenfuehrerschaft nicht allein den Liberalen und Saekularen zugestehen. So will ich verstanden werden, und wenn dies zu sagen in diesem Lande besser gelingt und verstaendlicher wird: nun, dann sei es so.
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ferner

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