Zeitlöcher

Wenn du dich in der Metro in einen Eingang gedrängt hast, nachdem dort etwa 50 Personen herausgequollen sind bei der Station, und noch mehr hinein, und einen winzigen Stehplatz erkämpft hast, wo du dich anhalten kannst, die Tür im Blick hast und somit abschätzen kannst, in welcher Station gerade gehalten wird, deine Tasche geschultert, die Wanderschuhe in der Hand, den Schlafsack zwischen die Beine gezwängt, und dich an die plötzliche Kälte der Klimaanlage gewöhnt hast, dann gehen mit einem lauten Pfeifen die Türen zu, du hältst dich gut fest, und es könnte losgehen.

Aber es geht nicht los.

Alles wartet.

Die Blicke zu Boden.

Zur Seite.

Aus dem Fenster.

Manche Blicke kreuzen sich.

Es ist kein Grund einer Verzögerung erkennbar.

Alle Reisenden längst verstaut.

Und als man dann rumpelnd durch die Tunnel dröhnt, da weiß niemand mehr, wie lange dieses Zeitloch gedauert hat und ob es überhaupt existiert, da denkt man schon wieder an den Ausstieg, registriert im Vorbeigehen die Waggons und Wartezonen für Frauen, sowie jene Frauen, die mit ihren Männern in den normalen Waggons fuhren, spürt die Eile und Geschäftigkeit, mit der alles wieder einem Ausgang oder Eingang zustrebt, und findet also den Zeitfluss völlig unversehrt.

Der Flughafenbus steht mit knatterndem Motor an der Abfahrtsstelle, es dauert, bis er sich füllt. Man sucht Plätze zum Sitzen oder Stehen, registriert einander, ohne Kontakt aufzunehmen, und wartet, ungekühlt, in der Nachmittagshitze Teherans. Irgendwann geht es los, langsam ruckelnd am Flughafengebäude entlang, durch Kurven, über Abzweigungen, an wartenden, dann an ausgemusterten Maschinen entlang, wie mit der Grottenbahn durchs Zwergerl- und Riesentheater, diese Propellerflieger und Jumbos mit aufgesetzter Steuerkabine, und schließlich steuert man auf ein bestimmtes Flugzeug zu, eine Fokker, deren Dröhnen das des Busses übersteigt beim Näherkommen. Der Bus hält vor der Tragfläche. Der Blick der Reisenden geht auf die Turbine, die Treppe, die offenen Klappen, den Tankschlauch.

Aber nichts passiert.

Draußen nicht und drinnen nicht.

Da beginnt dein T-Shirt zu riechen.

Du spürst die Jeans, die du seit Tagen trägst, an den Beinen kleben.

Schweiß tropft aus der Achselhöhle.

Du spürst den Atem des Nachbarn.

Einige wedeln sich mit dem Boarding-Pass Luft zu.

Andere zücken das Smartphone.

So stehen wir und sehen dem Zeitfluss zu, der uns überholt.

Später, mit dem Flugzeug, werden wir ihn wieder einholen
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