Kermanshah und die andere Seite

Aus einer der wenigen Schlafphasen reisst mich ein Rütteln an der Schulter, und an mir vorbei drängt sich bereits die Schlange der Buspassagiere zum Ausstieg.
Nächstes Bild: ein Kreis um den Schaffner an der Gepäckklappe, er rüttelt an den verkeilten Taschen, mein Rucksack darinnen, jeder dem andern im Weg.
Ich muss aufs Klo, die Hallen des Terminals noch geschlossen, der Park hell erleuchtet.
Jederzeit kann die Meute der Taxifahrer auf mich losstürzen, dann muss ich wissen, welches Hotel.
Ich finde schließlich Brille und Reiseführer, auch die Seite für Kermanshar, aber wie soll ich das lesen mit flimmernden Augen im Morgengrauen?
Die englisch sprechende Dame im Taxlerkiosk ist gut gelaunt und muntert mich auf – mir war, als hätte ich sie deutsch sprechen gehört, aber der Taxler schiebt mich schon ins Fahrzeug.
An der blitzschnell ausgewählten Adresse finde ich eine leere Rezeption und einen davor einsam auf einem Hocker am Gehsteig sitzenden Mann, der bloß den Kopf schüttelt, kein Zimmer für mich.
Nebenan und gegenüber sind die weiteren Adressen für günstige Hotels. Schließlich fahren wir alle im Buch angegebenen Adressen an, der Taxler findet sie ohne mich. Kein Zimmer.
Wollen die mich nicht.
Ich kann ja auch gleich weiterfahren nach Hamadan, sage ich zum achselzuckenden Rezeptionisten.
Gibt es ein Festival in der Stadt oder eine Agrarmesse?
Der weißhaarige Taxler verliert langsam die Ruhe.
Die Straßen liegen still im Morgenlicht.
Ich überlege Alternativen.
Den Rucksack wo abstellen, die wenigen interessanten Dinge tagsüber ansehen, abends weiterfahren.
Klingt anstrengend, aber billig.
Gerade freunde ich mich mit dem Gedanken an, als wir noch ein letztes Mal halten. In der Nähe des Terminals am Stadtrand. Vor dem Persien International Hotel, wie es von vorn heißt. Wie eine Art Hilton oder Holiday Inn.
Tatsächlich ist hier etwas frei, ich bin überrumpelt und finde keinen Charme, um den Preis herunterzuhandeln. Etwa 80 Euro, soviel wie die letzte Woche zusammen. Dafür alles pipapo. Nach den bisherigen Fladenbrot/ Butter/ Honig/ Ei-Frühstücken schlemmere ich jetzt vom Buffet, sogar Kaffee und Müsli.
Inmitten von gut gekleideten, leise sprechenden Ehepaaren oder Anzugmännern.
Erst am Nachmittag marschiere ich zu den Felsenhöhlen – die Sehenswürdigkeiten in der Stadt seien heute geschlossen.
Dann noch einige Stunden im Restaurantgarten mit den Büchern und einer ganzen Thermoskanne Tee. Und beim Heimgehen so leichthin, dass ein Lächeln und leicht angedeutetes Handheben genügt, um die Begegnenden (manch einer wackelt mit der flachen Hand und hebt fragend kopfschüttelnd die Augenbrauen) freundlich zurücklächeln zu lassen. Und dann pflanzen sich noch zwei Schülerinnen vor mir auf und befragen mich, und nun bin ich kein Chinese mehr. Sie haben das Examen zum Medizinstudium nicht geschafft und wollen es im nächsten Jahr noch einmal versuchen. Ob ich auch genug von der Schia wüsste, denn dann würde ich mich bestimmt dazu bekennen. Denn die Schia sei wirlich gut. Und ob sie noch ein Foto machen dürften. Und beim Selfie bekommen wir noch drei Heiligenscheine am Handydisplay

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