Land und Leute
Die allermeisten Perser, die ich treffe, sind sehr stolz auf ihr Land und haben das Gefühl, vom Westen nicht richtig verstanden zu werden. Das Bedürfnis, ernst genommen zu werden und nicht bloß als Entwicklungsland zu gelten, stützt sich dann manchmal auf die Religion (wie bei Rana), auf die lange und ehrwürdige Geschichte oder auf die neuere, verbesserte Politik (Adel, Reza, Mahmoud). Dabei ist man durchaus offen für Kritik, z.B. für das geringe ökologische Bewusstsein (Aram), die Dominanz der Religion (Behzam), falsche Wirtschaftspolitik (Mahmoud). Aber es scheint einen Tenor darin zu geben, dass die gegenwärtige Regierung besser ist als die frühere, dass sie richtige Entscheidungen trifft, das Land öffnet und aus der Isolation herausführt. Ich habe niemand getroffen, der gegen die Religion war, aber man will sie ohne öffentliche Gängelung, in Freiheit. Viele wollen mir die Schia erklären und nahebringen, wohl auch aus Rechtfertigungsbedürfnis als die kleinere, unbedeutendere Variante des Islam. Dass ich viele der heiligen Stätten des Iran kenne, wird sehr geschätzt, dass ich nicht Farsi spreche, nicht kritisiert oder erwartet. Aber dass der Anspruch des Islam, die letzte und höchste Offenbarung zu besitzen, von Andersgläubigen nicht unbedingt geteilt werden kann, ist keine selbstverständliche Einsicht. Dabei sind die allermeisten meiner Gesprächspartner junge Akademiker Mitte Zwanzig. Und immer wieder scheint Erkennen und Glauben wie dasselbe: das Wissen um den letzten, verborgenen Imam und dessen erwartete Wiederkunft am Ende der Zeit wird bereits als Glaubensbekenntnis verstanden, Respekt wie die Vorstufe der Unterwerfung (=Islam).
weichensteller - 10. Aug, 16:43