Dienstag, 1. September 2009

Teheran Hauptbahnhof

Schon hierherzukommen, Hauptbahnhof Teheran, ist erklaerungsbeduerftig, wir wollten ja nach Shush, auch wenn uns niemand geglaubt hat, dass es da etwas Interessantes gibt. Auch war es nicht moeglich, vor der Abreise zu erfahren, ob es ueberhaupt einen Anschlusszug geben wuerde, und ob Plaetze zu bekommen waeren.
So trappelten wir um 7 Uhr morgens zwischen geschaeftigen Leuten ueber eine Fussgaengerbruecke in die Bahnhofshalle und suchten einen Fahrkartenschalter: doch ganz so einfach ist es nicht. Unter dem Titel "Waiting List" gelangten wir mit unseren Rucksaecken in den oberen Stock und fanden eine quer durch den Saal reichende Warteschlange vor einem geschlossenen Schalter. Ab hier waren die Aufschriften nur mehr in Farsi. Nach einigem Herumfragen schickte man uns an der Warteschlange vorbei zu einigen Beamten, die uns wirklich zum Schalter fuehrten. Um Punkt 8.23 kam dienstbeflissen die Beamtin und begann ohne besondere Eile, dafuer gewissenhaft die Fenster zu oeffnen, den Computer zu starten und die Kolleginnen im anderen Raum zu begruessen. Inzwischen war es zu Tumulten gekommen in der Warteschlange wegen unserer Bevorzugung, und ein Polizist trat zu uns, um fuer Ordnung zu sorgen. Ich erklaerte unser Anliegen, einen Zug nach Shush zu bekommen, sie tippte etwas in die Maschine, fragte nach meinem Namen und haendigte mir einen in Farsi beschriebenen Kassazettel aus. Danach wurden wir in den Nebenraum geschickt, wo wir warten sollten, bis unsere Namen aufgerufen wuerden. Die drei wechselweise besetzten Schalter waren vom Warteraum abgetrennt und durch zwei Drehkreuze zugaenglich, jeweils eines zum Kommen und Gehen. Das war aber nicht erkennbar und musste von jedem einzelnen Bahnkunden herausgefunden werden, und die meisten versuchten, sich gegen die Drehrichtung durchzuzwaengen. Fast alle Fragenden wurden wieder zurueckgeschickt und nahmen nach einigen Rueckfragen dann neben uns Platz - so lange, bis die ganze Warteschlange heruebergekommen war.
Dann wurde ich durchs Drehkreuz gewunken. Ich brachte erneut mein Anliegen vor, zugleich mit zwei oder drei anderen Bahnkunden, und durfte zwischen zwei Zuegen waehlen. Valentin hatte inzwischen die Paesse herangebracht, unsere Namen wurden auf Farsi eingetippt, und wenige Minuten spaeter hielt ich alle drei Fahrkarten in der Hand, etwas zerknittert und schraeg aus dem Lochstreifendrucker herausgerissen, und triumphierend zogen wir mit den Karten eine Runde um den Wartesaal, bevor wir durch die Glastuere zurueck kamen und Tobias erloesten, der die ganze Zeit unser Gepaeck bewacht hatte. Ein ganzer langer Vormittag im Bahnhofsrestaurant stand uns bevor/

Im Zug nach Shush

Im Zug nach Shush hat jeder Waggon einen eigenen Schaffner - vielleicht sogar mehrere. Der Schaffner oder Ordner unseres Wagens schlief schon seit Beginn der Reise im Stockbett in unserem Abteil. Es ist aber keineswegs so, dass der Zug durchfahren wuerde, im Gegenteil stiegen haeufig Passagiere ein und aus. Dafuer war eine Art Admiral zustaendig, der mit ernstem Gesicht und einem grossen Block alle Fahrgaeste in jedem Abteil notierte. Die Unterschaffner der anderen Waggons sah ich meist im letzten Abteil hinter der Abteilscheibe schlafen. Die drei Angestellten im Speisewagen sassen miteinander an einem Tisch, manchmal schlief einer mit dem Kopf in der Armbeuge am Tisch. Das Kuechenpersonal sah ich mitunter in weissen Schuerzen durch die Gaenge gehen. Das Essen war gut und schnell fertig, Huehnerspiess mit Reis und Yoghurt.
Der Zugpolizist war ein hoeflicher junger Mann, der unter Entschuldigungen in unser Abteil trat, sich an der Tuer niederliess und gewissenhaft unsere Paesse durchsah. Bei Valentin fiel ihm eine Differenz zwischen Einreichdatum und Gueltigkeitszeitraum beim Visum auf, was eine laengere ernsthafte zweisprachige Unterhaltung mit sich brachte.
Bei der Einfahrt in einen Bahnhof liest man zuerst die Aufschriften der Toilette fuer Frauen und Maenner, dann vom Gebetsraum fuer Frauen und Maenner, und zuletzt, wenn man im mittleren Wagen oder weiter vorn sitzt, den Bahnhofsnamen. Diese Beobachtung kam mir spaeter beim Aussteigen zu Hilfe.
Die Strecke war im Wesentlichen eingleisig und verlief schnurgerade durch Wuesten und Savannen, manchmal zwischen Huegeln. Eine Bahnhofseinfahrt konnte man allein schon durch das Ueberfahren der Einfahrtsweichen erspueren. Hier begegneten zuweilen Gueterzuege aus Kesselwagen. Ansonsten bestand das sichtbare Ladegut hauptsaechlich aus Schienenschwellen und kurzen Gleisprofilen, aber ich sah auch Radsaetze und ganze Drehgestelle. (Die Bahn transportiert sich selbst)

Als Ankunftszeit war uns fuenf Uhr frueh angegeben worden - im Zug selber sagten die meisten, um drei Uhr. Unsere beiden Abteilkollegen fuhren bis Andimesk, der Station davor, und versuchten uns zu ueberreden, es ihnen gleich zu tun. Wir stellten den Wecker mit ihnen und warteten dann die richtige Station ab. Am salutierenden Bahnhofspolizisten vorbei trugen wir unsere Rucksaecke zum Empfangsgebaeude und suchten vergebens die Strasse dahinter, gelangten schliesslich durch den Schatten der gelben Bahnhofsbeleuchtung auf einen Feldweg und diesen entlang bald zur auch jetzt befahrenen Landstrasse. Ein paar Haeuser unter Laternen entpuppten sich, als wir dort waren, als Industriegebaeude, und wir steuerten die Stadt in der Gegenrichtung an. Uber eine Bruecke im Finstern schritten wir auf Shush zu, von dessen Namen allerdings nirgends etwas zu lesen war. Schliesslich erreichte uns einer der auf ihren Motorraedern umherstreifenden Jugendlichen, er bestaetigte unsere Gehrichtung und nahm Valentin mit, wenig spaeter kamen andere, und ich bekam einen Sitzplatz in der dritten Reihe, mit umgeschnalltem Rucksack. Nachdem sie zehnmal nachgefragt hatten, brachten sie uns zum anderen der beiden im Ort existierenden Hotels, einem in der Nacht huebschen Haeuschen am Fluss, und schliesslich doch zum von uns erwaehlten. Lange suchte ich das Tor, und dann fand ich einen schlafenden Mann davor. Er konnte uns aber nicht anders helfen, als dass wir eine Weile klopfen und trommeln mussten, denn auf die Glocke, obwohl von unten zu hoeren, reagierte niemald. Schliesslich erschien ein freundlicher junger Mann, von dem ich am naechsten Tag erfuhr, dass er ein technisches Fach studierte, sah, dass er Bertrand Russel las und hoerte, dass er Sartre mochte. Er fuehrte uns durch ein neues Haus ueber lange Fluren in ein backofenheisses langgestrecktes Zimmer, in dem vier grosse Betten standen. Die angeworfene Klimaanlage hatte die Kraft von Flugzeugmotoren, und ich tauschte mein Bett im Luftstrom mit einem Teppichplatz im Zimmerwinkel, wo ich ungestoert bis in den Nachmittag schlief/
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ferner

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