Montag, 24. August 2009

Yazd

Man koennte meinen, diese Stadt waere um irgendetwas echter als die anderen. Die braunen Lehmhaeuser scheinen dem Wuestenland zuzugehoeren, die Boegen ueber den winzigen Gassen der Sonnenhitze. Fuer eine Kulisse kann man es nicht halten, wenn einfache Menschen darin wohnen und hoelzerne oder eiserne Tueren oeffnen.
Und die Freitagsmoschee am Abend: unermesslich in der farbigen Detaillierung, maechtig die Gewoelbe, aber nichts weniger als kollosal: staunen macht dich die Feinheit, und die Unaufgeregtheit des Zusammengehoerigen.

Einen Spiegel des "geordneten Universums goettlichen Ursprungs" nennt Jason Elliot die islamische Kunst, ausgezeichnet durch die "rigorose Ordnung", wie das Metrum in der Dichtung, die Tonart in der Musik, die Proportionen in der Kalligraphie und die Geometrie in der Architektur.

Sprich: Er ist Gott, ein Einziger,
Gott, der Undurchdringliche.
Er hat nicht gezeugt, und Er ist nicht gezeugt worden,
und niemand ist ihm ebenbuertig.

al-Ikhlas - Sure



basarlager


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Shiraz

Um richtig verstanden zu werden: Bisher haben alle unsere Gespraechsparner auf die Mullahs gechimpft. Natuerlich haben wir nur selektiv Kontakte mit englischsprechenden, international Interessierten. Morteza meinte, die Regimetreuen weren einfach die Profiteure, denen Posten und Auftraege zugeschanzt wuerden. Dagegen erfuhren wir von der Verfolgung der Bahais, die bei Shiraz zu Hause waren. Wenn man kein Moslem ist, kann man Jahrzehnte in der Erdoelraffinerie arbeiten und bekommt gerade drei Monate lang Pension ausgezahlt. Verwandte werden inhaftiert und kommen in der Haft zu Tode. Morteza glaubt an kein Leben nach dem Tod, das Gerede vom Paradies haelt er fuer kindliche Vertroestung. Als vor einigen Wochen seine Mutter, nach langem Leiden infolge eines Schlaganfalls einseitig gelaehmt, gestorben war, haette sich der Geitliche bei der Bestattung in den Sarg gebeugt und die Tote unter Gebetsproklamationen an den Schultern geruettelt. Er hatte die Zeremonie abgebrochen.
Er und die meisten Gespraechspartner finden es eine Zumutung, jemandem die Religion vorzuschreiben. An der Autobusstation ein Gitter, das jeweils nur Maenner oder Frauen zu den Busaufstiegen lasst. Schoene Frauen lassen ihre Augen auch unterm Schleier hervorblitzen. Die Mullahs machen die Religion zu einer Verneinung von Lebenslust und Schoenheit, von freiem Geist und wacher Selbstaendigkeit. Roya Hakakian nennt ihre Flucht "Abschied vom Land des "Nein", der unablaessigen Verweigerung". Ich will auch meine Kirche nicht zu einem Ort des zoegerlichen Mittelmasses verkommen lassen. Uns Christen ist ein klarer, wacher Geist angemessen, mutige Auseinandersetzung mit den neuesten Fragen der Gesellschaft sollte selbstverstaendlich sein, mehr noch: selber die selbstgenuegsamen Zeitgenossen herausfordern, selber die Denkfaulen aufstacheln, und die Zoegerlichen, die sich an ihren Privilegien genuegen, vor uns hertreiben. Man komme mir nicht ahnungslos und hilflos, die wir Nutzniesser und Zuschauer am Elend der Welt sind.

Der Kellner dieses Restaurants unter schattigen Baeumen, in das ich mich jeden Abend fluechte, spricht kaum Englisch, der Fuenfzehnjaehrige im Flugzeug, der uns am Handy Bilder von einer Demonstration mit Toten zeigt, der Taxifahrer, der nach Finnland auswandern will: Sie alle sprechen ohne Scheu von der katastrophalen Mullahpolitik, es ist ein einziger Aufschrei, ein Hilferuf n das Ausland.

"Denk nach! Stell dir vor, jedes Buch sei ein Raetsel. Stell esauf den Kopf, stuelpe sein Inneres nach aussen. Sieh dir jedes kleinste Detail gang genau an und frage: Warum dies? Warum das? Nur dann wirst du etwas Neues entdecken." Diese Worte gibt der grosse Bruder Roya mit ins Leben, und sie wendet sie sogleich deutend auf seine Bilder an.
Und hab ich nicht unsrem iranischen Freund die Bilder de persischen Museums gedeutet, dass ihm Hoeren und Sehen aufging an den manirierten Portraits und Schlachtgemaelden? So ist mir Reisen: Ueber die Darstellung der Archaemenidenkoenige gruebeln, die europaeischen Vorstellungen von Persien ueberpruefen, dem ueberwallenden Leben von Shiraz am letzten Tag vor dem Beginn des Fastenmonats nachspueren, als wir uns in einem Ferienort an der Adria waehnten, und dann die ueberraschende Normalitaet des Fastens selbst, wo du tagsueber keinen Menschen essen oder trinken siehst - weil sie so wie ich hinter einem Vorhang Eis schleckten oder ihr Cola aus der Dose schluerften.

(Zur Strafe hab ich mich im Labyrinth des Basars verirrt und tappte stundenlang durch unbekannte Strassen: Shiraz ist gross....)


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